Wenn ich an meine ersten Gehversuche bei dem zurückdenke, was man heutzutage Networking nennt, wäre selbst „ernüchternd“ noch eine positive Umschreibung. Wie oft ich am Buffet stand und mich überwinden musste, Small Talk mit einer fremden Person anzufangen. In der Hoffnung, es verstecke sich ein interessanter und machtvoller Kontakt hinter dem Käse-Tomaten-Stick. Irgendwann zog ich mich an den Stehtisch meiner Kollegen zurück oder flüchtete in die Toilette, weil man zumindest dort Frieden vom vielen Blabla hatte. Studien belegen, dass Frauen bescheidener und zurückhaltender netzwerken als Männer. Es geht also vielen Frauen ähnlich, wie ich es damals erlebte.
Inzwischen netzwerke ich täglich. Mit Spaß und Erfolg. Das hat zwei Gründe. Erstens kenne ich inzwischen mein Ziel. Ich habe eine ganz persönliche Motivation, von der ich überzeugt bin und die mich antreibt. Früher, als Angestellte, war das Netzwerken eine Pflichtveranstaltung. Heute arbeite ich für MentorMe, ein berufliches Mentoringprogramm für Frauen, das ich selbst gegründet habe. Mithilfe der MentorMe-Community habe ich inzwischen weit über 1200 Frauen erreicht und fördere sie in ihrer beruflichen Entwicklung – durch Networking, Mentoring und Training.
Der zweite Grund: Ich netzwerke mit Frauen und Männern genauso, wie ich weibliche und männliche Mentoren hatte. Das ist leider immer noch nicht selbstverständlich. Auch die Frauen, die sich bei MentorMe als Mentees anmelden, zeigen oft ein anderes Bild, ebenso wie die Mentoren. Das ist nicht nur bei uns so, sondern in vielen Netzwerken: Es gibt zu wenig Männer, die Frauen fördern. Und zu wenig Frauen wollen Männer, die sie fördern.
Reinen Frauennetzwerken fehlt es an Schlagkraft
Es ist also ein Problem, das zwei Seiten hat. In vielen Branchen und in vielen Unternehmen sitzen nach wie vor Männer auf den Topposten. Dass wir Menschen – also auch Chefs – tendenziell jene Menschen bevorzugen und fördern, die uns ähneln, ist bereits erforscht. So weit, so bekannt.
Dass der Missstand auch von der anderen Seite herrscht, zeigt sich auch in unserem Netzwerk. MentorMe hat mehr als 700 registrierte Mentoren, die wir mit unseren weiblichen Mentees zusammenbringen. Mehr als vier Fünftel davon sind Frauen und nur ein knappes Fünftel Männer! Bei unseren Networkingevents – wir veranstalten rund 80 pro Jahr deutschlandweit – ist nur etwa jeder 30. Teilnehmer männlich! Das spiegelt auch die Nachfrage wider: Viele unserer Mentees wollen eher weibliche als männliche Mentoren.
Forciert habe ich diese Entwicklung nicht, im Gegenteil. Ich persönlich kämpfe unermüdlich dafür, auch Männer als Mentoren zu gewinnen. Für diejenigen, die sich nun fragen, warum MentorMe nur weibliche Mentees hat, lautet die simple, aber wahre Antwort: Es war der einfachste Ausgangspunkt für uns. Aber wenn sich inzwischen junge Männer an mich wenden und einen Mentor wollen, nehmen wir sie auch auf. Männer, fördert Frauen! Frauen, sucht euch männliche Mentoren!
Deshalb lautet mein dringender Rat: Liebe Frauen, wir sollten uns auch männliche Mentoren suchen, die uns in unseren Karrierezielen fördern, besonders wenn wir in die Chefetagen wollen, wo nun mal immer noch mehr Männer sitzen. Und, liebe Männer, ihr solltet auch Frauen fördern. Es gibt einen Mangel an männlichen Mentoren. Und es gibt mindestens genauso viele weibliche Talente, die eure Nachfolge antreten könnten. Auf jeden Fall mehr, als es euch augenscheinlich vorkommt.