Liebe Karin, Du bist die Gründerin von MentorMe. Wie bist Du auf die Idee gekommen ein berufliches Förderprogramm für weibliche Akademikerinnen zu gründen?

Fast alles, was ich zuvor gemacht habe, hat mich auf diese Aufgabe vorbereitet; so habe ich in den USA studiert und dort Leadership-Kurse belegt. Ich war jahrelang im Hochschulwesen und in der Erwachsenenbildung tätig und habe hunderte Studierende betreut. Ich habe in der Politik gearbeitet und dort ein Mentoring-Programm für Frauen mitorganisiert. In Indien gab ich Workshops zu „Women & Empowerment“ und „Leadership Styles“. All das und noch viel mehr hat den Weg geebnet für das, was ich nun mit MentorMe mache.

Meinen „Moment of Truth“ erlebte ich tatsächlich durch meinen Aufenthalt in Indien im Jahr 2014. Ich habe für die indische NGO Light of Life Trust im Bundesstaat Maharastra gearbeitet. Dort gab ich den Sozialarbeitern und Angestellten verschiedene Seminare, unter anderem „Empowerment for Women and Girls“. Mein Aha-Erlebnis war, dass ich – in einer komplett anderen Kultur, umgeben von fremden Menschen und als einzige Westliche in den Dörfern in denen ich stationiert war – ein persönliches Wachstum erfahren durfte, das gigantisch war. Mir wurde klar: Wir wachsen nur an Herausforderungen und wir müssen mutig Außergewöhnliches wagen, um unsere eigenen Potenzialen auszuschöpfen.

Was erwartet Studentinnen, Absolventinnen und Young Professionals in Eurem Programm?

Wir bieten diesen Frauen als unseren Mentees drei Services an – online und offline:

  • Individuelles und berufsbezogenes Mentoring mit berufserfahrenen MentorInnen
  • Trainings zu berufsrelevanten Fähigkeiten und Fragen
  • Vielfältige Networking Events und zwei Online Plattformen

Diese Aspekte bringen unseren Mentees Selbstsicherheit und Klarheit in Bezug auf ihren beruflichen Weg, Praxiswissen aus und Kontakte in die Branchen, die sie interessieren. Zum Ende des Programmjahres mit MentorMe haben sie im besten Fall den Jobeinstieg oder die berufliche Weiterentwicklung geschafft.

Und Mentor_Innen? Was ist deren Anreiz sich bei Euch einzubringen?

Unsere MentorInnen sind Männer und Frauen mit Berufserfahrung, die junge Frauen fördern wollen und Freude an der Weitergabe von Wissen, Erfahrungen und Kontakten haben. So wie die Mentees profitieren auch unsere MentorInnen von dem Mentoring und von unseren Training- und Networking-Angeboten sowie von unserem großen Netzwerk: Sie haben im Lauf des Jahres über sich selbst reflektiert, konnten ihr eigenes Netzwerk und ihr Beratungsfähigkeiten ausbauen und haben mit ihren Mentees einen Menschen kennengelernt, der ihnen beruflich und auch freundschaftlich verbunden bleibt.

Welche Voraussetzungen haben Eure Mentees und Mentor_Innen zu erfüllen, um bei Euch ins Programm aufgenommen zu werden?

Die einzige klare Voraussetzung bei unsere Mentees ist, eine Frau zu sein, da unser Programm weibliche Studentinnen, Absolventinnen und Young Professionals fördert. Ansonsten sind uns wichtig: Motivation, Zuverlässigkeit, Loyalität, und der Wunsch, einen Mentor bzw. eine Mentorin zu haben sowie unsere anderen Angebote zu nutzen. Dies sind – mehr als Noten – wichtige Voraussetzungen für den späteren beruflichen Erfolg.

Unsere MentorInnen sollten mindestens 2 Jahre Berufserfahrung haben und die Zeit, ein Mal im Monat eine Mentoring-Session mit ihren Mentees abzuhalten – für 12 Monate. Ob dann die Sessions in Person, via Telefon oder Skype stattfinden, ist individuell gestaltbar.

Hattest Du in in Deiner beruflichen Laufbahn auch einen Mentoren oder eine Mentorin, die Dir mit Rat zur Seite gestanden hat?

In meinen 20-ern hatte ich keinen Mentor und wenn eine erfahrene Person mich beraten hat, dann war es eher punktuell. In den letzten Jahren hatte ich mehrere MentorInnen – da ich nicht zuletzt durch MentorMe weiß, wie unglaublich wertvoll ein Mentor sein kann, wäre ich dumm, wenn ich keine hätte.

Apropo berufliche Laufbahn. Was hast Du gemacht, bevor Du Dich vor zwei Jahren selbstständig gemacht hast?

In Kürze: Ich habe in Wien studiert, bin mit Ende 20 nach New York gezogen und habe dort vier Jahre gelebt, im PR-Bereich und für ein Wall Street Unternehmen gearbeitet, bevor ich in Washington einen zweiten Master „ran gehängt“ habe. Bevor mein Partner und ich nach Europa zurück gekehrten, haben wir ein Jahr lang uns Zeit genommen, um die Welt zu bereisen. Danach sind wir nach Berlin gezogen und ich bin über Umwege in der Politik gelandet; bei den Liberalen war ich Kommunikationsreferentin und gegen Ende International Officer. Als die FDP aus dem Bundestag gewählt wurde, habe auch ich meinen Job verloren. Da dachte ich mir, dass ich endlich mal was mache, was Menschen wirklich und direkt hilft und so bin ich zu der NGO in Indien gekommen. Nach der Rückkehr aus Indien war klar, ich will mit Menschen weiter arbeiten. Da ich aber keinen Job bekam, dachte ich mir: Ich mache es einfach selbst!

 2015 – das Gründungsjahr Deines Mentoringprogramms. Welche finanziellen Mittel standen Dir damals zur Verfügung?

Nur meine eigenen Ersparnisse.

Und heute: Wie finanziert sich MentorMe? Kannst Du von den Einnahmen leben?

MentorMe finanziert sich durch die Beiträge unserer Mentees, durch Einnahmen unserer Veranstaltungen und Trainings von Interessierten, durch Kooperationen mit Unternehmen, durch Spenden und durch Förderungen der öffentlichen Hand.

MentorMe ist eine gUG. Warum hast Du Dich für diese Rechtsform entschieden? Welche Vor- und eventuell auch Nachteile birgt sie für Dich und Dein Unternehmen?

Eine gUG ist im Prinzip die Basis und ein Prototyp eines sozialen Unternehmens. Die Vorteile sind, dass wir staatlich und zivilgesellschaftlich förderwürdig und steuerbegünstig sind sowie Spenden annehmen können. Der Nachteil ist, dass wir kein Unternehmen im klassischen „For-Profit“- Sinn sind. Das bedeutet, dass wir uns keine Gewinne auszahlen können.

Seit der Gründung sind nun zwei Jahre vergangen. Wie hat sich Dein Mentoringprogramm in dieser Zeit weiterentwickelt?

Es ist viel passiert. Wir haben mit Studentinnen aus sozial- und geisteswissenschaftlichen Studien angefangen. Der Anlauf war aber auch von anderen Studentinnen so groß, dass wir nun Studentinnen aller Studienrichtungen aufnehmen. Dann haben sich immer mehr von den jüngeren Mentorinnen bei uns gemeldet, die sich ebenfalls eine Mentorin wünschen. Deshalb nehmen wir nun ab dem kommenden Jahr offiziell auch Young Professionals als Mentees auf. Des Weiteren haben wir neue Kooperationen wie z.B. mit der Synk-Group, die und die Online Plattform für unser online „MentorMe Academy“ zur Verfügung stell. Oder mit dem Unternehmenspartner EY, die von Anfang an uns glaubten und wollen wir unsere Kooperation von Berlin aus auf München und Frankfurt ausweiten. Dann bieten wir nun auch Webinare an, die verschiedene berufliche Branchen und Fragen mit Expertenwissen verknüpfen. Wir haben auch einen wunderbaren Mentoring Mediator, der unterstützt, falls es mal Herausforderungen bei den Mentorings gibt. Last but not least haben wir eine brandneue Internetseite und implementieren gerade eine State-of-the-Art Matching Software.

Mit welchen Veränderungen ist in den nächsten Monaten zu rechnen? Oder anders gefragt: Wo soll es für Dich und MentorMe hingehen?

Zunächst mal wird der Matching-Prozess professionalisiert – auch um unseren Impact zu skalieren und eine größere Wirkungskette zu erreichen. Wir wollen noch mehr Mentoring-Teams matchen. Unser Ziel für das kommende 3. Programmjahr ist, 200 Mentoring-Teams, also 200 junge Frauen als Mentees mit 200 erfahrenen Mentoren zusammenzubringen – Deutschlandweit und über die Landesgrenzen hinaus. Wir wollen auch verstärkt Unternehmen einladen, mit uns gemeinsam gesellschaftliche Verantwortung mit innovativer Personalentwicklung zu verbinden. Um das alles greifbar zu machen, werden wir auch in anderen Region Deutschlands Networkingevents veranstalten.

Wir haben ja kürzlich telefoniert, weil ich Dich gefragt habe, ob Du mir etwas über den Aufwand eines solchen Mentoringprogramms erzählen kannst. Dabei habe ich erfahren, dass dieser extrem (!) hoch. Hattest Du damit gerechnet?

Nein und im Nachhinein war das auch gut 😉

Würdest Du Dich rückblickend dennoch immer wieder für die Gründung von MentorMe entscheiden?

Absolut, ohne ein Augenzwinkern! Ich sag immer: You gotta know the price you’re paying and then be strong enough to persevere!

Und noch zwei Fragen zum Abschluss…

Du bist geborene Österreicherin. Warum hast Du Dich für eine Gründung in Deutschland und nicht in Deinem Heimatland entschieden?

Nach meiner Rückkehr aus New York war mir Österreich zu klein und Berlin hat auf wunderbare Weise Ähnlichkeiten zu meinem geliebten New York. Irgendwann kehre ich nach Österreich zurück – im besten Fall mit einem Transfer von MentorMe. Es läuft mir also nicht davon.

Wie bewertest Du Berlin als Standort für Gründer_Innen?

Menschen vernetzen sich Tag-täglich in Berlin, sie sind hungrig und offen und mutig. Die politischen Rahmenbedingung für Social Entrepreneurship kann besser werden – da gibt e sauf alle Fälle Nachholbedarf an Gründer-freundlicheren Rahmenbedingungen. Aber, da schon, die Menschen hier organisieren sich auch selbst und unterstützen ich gegenseitig. Das ist fantastisch!

Wie kann man sich als Mentor_In oder Mentee anmelden?

Die Anmeldephase für das neue im November beginnende Programmjahr, startet voraussichtlich Ende Juli/ Anfang August 2017. Bis dahin können sich alle Interessierten auf www.mentorme-ngo.org das Programm und unsere Services im Detail ansehen. Sie können sich zudem mit ihrer E-Mail-Adresse registrieren, um eine E-Mail Benachrichtigung zu erhalten, sobald die Anmeldephase für Mentees und MentorInnen eröffnet ist.

Das Interview ist bei Frau Frei Und veröffentlicht worden und hier im Original nachzulesen.